ETF-Investoren profitieren heute von sehr hoher Liquidität, immer innovativeren Fonds und sinkenden Preisen
Erschienen am: 12.03.2020
Sie gelten als einfach, transparent und flexibel: Exchange Traded Funds – kurz ETFs – feiern am 11. April ihren 20. Geburtstag. Mit gerade einmal zwei Produkten hat die Deutsche Börse den ETF-Handel im Jahr 2000 nach Europa gebracht. Seitdem ist der Handelsplatz Xetra führend in einem stark wachsenden Markt. In unserer Serie blicken wir aus verschiedenen Perspektiven auf die Entwicklung von ETFs – und beleuchten Trends, Innovationen und strukturelle Veränderungen an den Märkten.
Die Idee war so einfach wie revolutionär – und überzeugt bis heute. Im Januar 1993 kam in New York der erste ETF an die Börse. Heute gibt es weltweit fast 7.000 ETFs mit einem Vermögen von mehr als sechs Billionen Dollar. Es dauerte einige Jahre, bis ETFs den Weg von New York nach Europa gefunden hatten, doch seitdem geht es auch hierzulande fast ungebremst nach oben.
Am 11. April 2000 startete das XTF-Segment der Deutschen Börse für ETFs. Xetra war damit der erste Handelsplatz für ETFs in Europa – und ist seitdem der Marktführer. Den Anfang machten zwei ETFs auf die Referenzindizes EURO STOXX 50 und STOXX Europe 50. Emittent der beiden Fonds war Merrill Lynch International mit seiner LDRS-Produktfamilie, die heute zur iShares-Familie von BlackRock gehört. 2001 folgte der erste Dax-ETF, aufgelegt von der Hypovereinsbank-Tochter Indexchange, die inzwischen auch zu iShares/Blackrock gehört.
Seitdem nahmen Handel und Produkt-Innovation immer mehr Tempo auf. Allein 2019 wurden 183 neue ETFs gelistet. Damit notieren heute an Xetra mehr als 1.500 ETFs. Sie kommen auf einen durchschnittlichen monatlichen Handelsumsatz von elf Milliarden Euro und machen die Deutsche Börse auch damit zum führenden Börsenhandelsplatz in Europa, Marktanteil 28 Prozent. Am Ende des ersten Handelsjahres, im Dezember 2000, lag das ETF-Fondsvermögen im XTF-Segment bei 400 Millionen Euro. Bis Ende Dezember 2019 hat sich das ETF-Vermögen auf die Rekordmarke von 710 Milliarden Euro vervielfacht. Xetra liegt damit voll im Trend: Mehr als 100 Milliarden Euro frisches Geld floss 2019 in europäische ETFs. Das war der höchste Jahreszuwachs seit dem Start des Geschäfts im Jahr 2000. Insgesamt stecken in europäischen ETFs nun rund eine Billion Euro.
Starker Trend. Für Anleger bedeutet die dynamische Entwicklung nicht nur ein immer größeres ETF-Angebot, sondern auch sinkende Kosten und immer höhere Liquidität. Sehr deutlich zeigt sich das auch an den stark gesunkenen Geld-Brief-Spannen und dem von der Börse berechneten Liquiditätsmaß XLM. Es bezeichnet den durchschnittlichen Spread für eine Xetra-Round-Trip-Order von 100.000 Euro. Für die 20 liquidesten Aktien-ETFs beträgt das XLM heute im Durchschnitt nur noch 4,2 Basispunkte – die Hälfte des Werts vor zehn Jahren.
Das Xetra Liquiditätsmaß (durchschnittlicher Spread für eine Round-Trip-Order von €100k) der 20 liquidesten Aktien-ETFs auf Xetra lag in 2019 im Durchschnitt bei 4,2 Basispunkten.
Harter Wettbewerb. Diese stetig zunehmende Verbesserung der Handelsbedingungen erscheint auf den ersten Blick erstaunlich, denn trotz des enormen Wachstums bleibt der ETF-Markt auf der Anbieterseite hochkonzentriert. Obwohl seit Jahren immer wieder neue ETF-Anbieter in den Markt drängen, dominieren nahezu seit Handelsbeginn ganz wenige Anbieter das Geschäft, nicht nur in Deutschland. In Europa verwalten drei Marktführer, Blackrock (iShares), die DWS (xtrackers) und die französische Lyxor rund 63 Prozent des ETF-Vermögens. Den Rest teilen sich viele , meist viel kleinere Mitspieler: Keiner aus der zweiten Liga kommt auf mehr als sechs Prozent Marktanteil. Blackrock kontrolliert dagegen 44 Prozent des gesamten ETF-Vermögens. Von neu investierten Anlegergeldern bekommen die Marktführer ebenfalls am meisten ab. Grob gesagt entspricht ihr Anteil an den Mittelzuflüssen in etwa ihrem Anteil am ETF-Vermögen.
Trotz dieses Oligopols sinken die Preise der ETFs. Nach einer Untersuchung des Investment Company Institutes fielen die durchschnittlichen Kosten für Aktien-ETFs allein zwischen 2013 und 2018 um 22 Basispunkte. Nach Angaben von Morningstar kosten Aktien-ETFs in Europa heute im Schnitt 0,37 Prozent pro Jahr. Kapitalgewichtet seien die Durchschnittskosten der Aktien-ETFs mit 0,25 Prozent sogar noch deutlich niedriger als im einfachen Durchschnitt. Renten-ETFs kommen auf durchschnittlich 22 Basispunkte.
Angenehm: ETFs auf die wichtigsten Indizes sind noch wesentlich preiswerter, denn alle größeren Anbieter drehen seit Jahren an der Preisschraube, vor allem die direkten Verfolger des Marktführers Blackrock. Bereits 2018 preschte Lyxor mit zwei Aktien-ETFs zum Preis von nur noch vier Basispunkten vor. Die französische Amundi startete 2019 sogar eine Groß-Offensive und bietet inzwischen 20 Aktien- und Renten-ETFs, die jeweils nur fünf Basispunkte kosten. Auch Invesco, HSBC und Legal & General haben ETFs in dieser Preisklasse im Programm.
Die Preissenkungen verfehlen offensichtlich ihre Wirkung nicht, vor allem bei großen Anlegern. „Institutionelle Anleger versuchen immer öfter, Futures zu umgehen und greifen dafür häufiger zu ETFs“, berichtet Dirk Söhnholz, Honorarprofessor für Asset Management an der Universität Leipzig. Rund die Hälfte der institutionellen Investoren will von Futures auf ETFs umschwenken, zeigt auch eine Umfrage von Greenwich Associates. Kein Wunder: ETFs für die großen Indizes haben heute häufig nur noch jährliche Kosten von fünf Basispunkten – und werden damit für Futures zur echten Konkurrenz: „Der Preisvorteil, den Futures und Derivate früher hatten, ist heute kaum noch existent“, weiß Söhnholz. Nach Berechnungen des ETF-Anbieters Invesco war ein Investment in den S&P-500 in den vergangenen fünf Jahren fast durchgehend günstiger mit ETFs abzubilden, als mit Futures. Auch für andere wichtige Indizes errechnete Invesco Kostenvorteile.
Vorteil für Anleger. Auf der Anbieterseite forderte der harte Wettbewerb dagegen in den vergangenen Jahren bereits die ersten Opfer. „Die Konsolidierung ist voll im Gange“, erklärt Ali Masarwah, Leiter des Editorial Research bei Morningstar. Die Bilanz der letzten drei Jahre: ComStage ist heute Teil von Lyxor, Source wurde von Invesco übernommen, ETF Securities hat sein europäisches Geschäft an WisdomTree veräußert, Van Eck kaufte den niederländischen Anbieter Think ETF. Dennoch sei es „verfrüht, von dieser Konsolidierung, die vor allem mittelgroße Häuser betrifft, das bevorstehend Ende des Wettbewerbs im ETF-Markt abzuleiten“, befindet Masawah. Denn immer wieder steigen neue Akteure an das ETF-Geschäft ein, nicht nur kleine Häuser wie Expat, HanETF oder Tabula, sondern auch finanzstarke Akteure wie Fidelity, Franklin Templeton J.P. Morgan oder Ende 2019 Goldman Sachs.
„Bislang führte die starke Konzentration am ETF-Markt nicht zu negativen Effekten für Investoren -m Gegenteil.“, urteilt der Branchenkenner. Ein Grund: Um überhaupt noch einen Fuß in die Tür zu bekommen, versuchen neue Anbieter zumeist ihr Glück mit innovativen neuen ETFs, beispielsweise mit Faktor- bzw. Smart-Beta-ETFs. Bei ETFs auf die großen Indizes haben Newcomer keine Chance: Bei diesen ETFs stellt die Kombination aus Fondsgröße, hoher Liquidität und sehr niedrigen Managementgebühren eine kaum überwindbare Hürde für neue ETF-Anbieter dar. In Randbereichen gibt es dagegen noch immer unbeackertes Terrain, nicht nur bei Smart-Beta-Ansätzen, sondern auch im Bereich der Themen-ETFs.
Inzwischen sprießen Themen-ETFs denn auch immer öfter aus dem Boden: Ungefähr jeder fünfte, neu an Xetra gelistete ETF, widmet sich einem speziellen Anlagethema. Unter den insgesamt an Xetra gelisteten, mehr als 1.000 Aktien-ETFs ist fast jeder vierte Fonds ein Themen-ETF. Bislang bleibt das Vermögen der meisten Themen-ETFs häufig niedrig, doch immer wieder treffen die Anbieter auch den richtigen Nagel. So stecken beispielsweise in dem Ende 2018 aufgelegten Amundi Artificial Intelligence ETF heute schon rund 180 Millionen. Der vor einem Jahr gestartete Invesco Blockchain ETF wuchs bis dato auf mehr als 40 Millionen Euro an; der erst Mitte 2019 gelistete VanEck Video Gaming and eSports ETF konnte sogar schon 60 Millionen Euro einsammeln. Wenn das Thema stimmt, scheinen auch relativ hohe Kosten kein Problem für die Anleger zu sein. Die drei beispielhaft genannten ETFs haben Kostenquoten zwischen 0,35 Prozent und 0,65 Prozent – sie kosten also rund zehnmal so viel, wie die großen Standard-ETFs.
Entwicklung der handelbaren Produkte auf Xetra seit dem Jahr 2000
Doch nicht nur Themen-ETFs nehmen auf dem Kurszettel der Börse immer mehr Raum ein. Auch ETFs, die nachhaltige Investment-Strategien abbilden, können rasant zulegen. 62 neue ESG-ETFs wurden 2019 gelistet, wodurch Investoren im Xetra-Handel zum Jahresende schon 147 ESG-ETFs zur Auswahl hatten. Das investierte Vermögen in ESG-ETFs am Handelsplatz Xetra stieg auf 23 Milliarden Euro. Das war ein Plus von 217 Prozent gegenüber 2018. „ESG-Produkte bildeten im vergangenen Jahr die mit Abstand wachstumsstärkste Kategorie im ETF-Segment der Deutschen Börse“, berichtet Stephan Kraus, der das ETF-Segment verantwortet.
Unterm Strich zeigen die vergangen 20 Jahre zweierlei. Erstens: Innovative ETFs haben das Potenzial zum Bestseller, doch die meisten Investoren bevorzugen einfach zu durchschauende Produkte. Zweitens: Obwohl wenige Anbieter dominieren, bleibt der ETF-Markt in Bewegung. Bis auf Weiteres können sich deshalb ETF-Anleger über ein weiterwachsendes Angebot, sinkende Preise und immer liquidere Märkte freuen.
Text: Uli Kühn, © März 2020, ETF Magazin
Der Beitrag erschien zuerst in der Ausgabe „20 Jahre ETF in Europa“ des ETF-Magazins im März 2020.