Wie die Marktpreise von ETFs zustande kommen

Erschienen am: 07.05.2020

Sie gelten als einfach, transparent und flexibel: Exchange Traded Funds – kurz ETFs – feierten am 11. April ihren 20. Geburtstag. Mit gerade einmal zwei Produkten hat die Deutsche Börse den ETF-Handel im Jahr 2000 nach Europa gebracht. Seitdem ist der Handelsplatz Xetra führend in einem stark wachsenden Markt. In unserer Serie blicken wir aus verschiedenen Perspektiven auf die Entwicklung von ETFs – und beleuchten Trends, Innovationen und strukturelle Veränderungen an den Märkten.

Was sagt mir der Börsenpreis eines ETFs? Warum entwickelt sich der ETF nicht wie der Index? Welcher Preis ist bei der ETF-Order wichtig? Fragen, die sich viele Anleger (und uns) häufig stellen. Eine Erläuterung. 

Ein Vorteil von börsengehandelten Indexfonds ist, dass sie so schnell und günstig gekauft oder verkauft werden können wie einzelne Aktien. Es stehen permanent Kauf- und Verkaufsangebote zur Verfügung. Passen zwei Aufträge zusammen, kommt es zu einem Abschluss, wird ein Preis festgestellt. Bei manchen ETFs geschieht dies mehrfach pro Minute, für den meistgehandelten DAX-ETF wurde im April 75.000 Mal ein Preis festgestellt.

Aber anders als bei Aktien entstehen diese Preise nicht überwiegend durch Angebot und Nachfrage nach ETF-Anteilen. Neben dem Wert des Fondsvermögen spielen auch Faktoren wie Kosten oder Handelszeiten eine Rolle. Aber kurzfristig betrachtet zählt die Marktlage trotzdem ein bisschen. Klingt widersprüchlich und soll deswegen hier erläutert werden. 

Zum Einstieg: Wert auf Tagesbasis 

Ein ETF, kurz für börsengehandelter Indexfonds, bildet einen Index ab. Für das Geld der Anleger werden die Wertpapiere im Index gekauft und verkauft, mit der jeweiligen Gewichtung, die diese im Index haben. 

Das kann man sich wie einen Topf mit Wertpapieren vorstellen, die selbst an der Börse notiert sind und deren Preise sich laufend verändern. In diesen Topf wird das Geld der Anleger eingezahlt, sie bekommen dafür Anteile daran. Andere Einnahmen des ETF, z.B. Dividenden, Zinszahlungen oder etwa durch Wertpapierleihe, fließen auch in diesen Topf ein. Kosten wie die Verwaltungsgebühr, Handelskosten, Quellensteuern oder Dividendenauszahlungen bei ausschüttenden ETFs fließen aus diesem Topf ab. Das Portfolio, der Topf, hat durch die Börsenbewertungen und den Barbestand einen Gesamtwert, der, geteilt durch die Anzahl der umlaufenden Anteile, den Preis je Anteil ergibt. 

Diesen Anteilspreis bezeichnet man auch als Nettoinventarwert, kurz NAV für Net Asset Value, der von Fondsanbietern einmal täglich veröffentlicht werden muss. Das gilt für alle öffentlich angebotenen Publikumsfonds, egal ob passiv oder aktiv verwaltet. Allerdings basiert der NAV auf den Schlusspreisen vom Vortag.*

Erste Beschleunigung: Minütliche Bewertung möglich

Für ETFs, die an einen Index gekoppelt sind, berechnet entweder die Deutsche Börse oder ein anderer Dienstleister während der Handelszeit mindestens einmal pro Minute den „indikativen Nettoinventarwert“, kurz iNAV. Dabei wird das Fondsvermögen anhand der Kurse der Einzelpositionen im Fonds-Portfolio ermittelt und die Barmittel des Fonds addiert. Das so berechnete Fondsvermögen geteilt durch die Zahl der im Umlauf befindlichen Fondsanteile wird minütlich veröffentlicht. Bei vielen ETFs können Anleger diesen Wert auf dem Datenblatt bei boerse-frankfurt.de einsehen. Dies ist um einiges aktueller als die Schlusspreisbasis vom Vortag. 

Flexibler Handel an der Börse ohne Verzögerung 

Ein großer Vorteil von ETFs ist, dass sie im Börsenhandel jederzeit gekauft oder verkauft werden können. Dafür werden permanent Angebotspreise gestellt. 

Diese Angebotspreise, auch Geld/Brief- oder Bid/Ask-Quote genannt, entstehen auf dem wichtigsten Marktplatz für ETFs, Xetra, durch die Limit-Orders anderer Marktteilnehmer. Eine Limit-Order ist ein Kauf- oder Verkaufsauftrag, der mit einer Preisgrenze versehen ist. 

Teil der Marktteilnehmer sind Designated Sponsors, die den Auftrag haben, solche Angebotspreise zu stellen und Anteile auszugeben bzw. zurückzunehmen und die Wertpapierkörbe für das Portfolio zusammenzustellen. 

Im offenen Xetra-Orderbuch unterscheiden sich die Orders der Designated Sponsors nicht von den Orders anderer Marktteilnehmer. Allerdings haben sich die Designated Sponsors zur Einhaltung von Qualitätsstandards mit maximalen Spreads und Mindestgrößen verpflichtet. Im ETF-Handel auf dem Frankfurter Parkett übernehmen Spezialisten die Arbeit der Designated Sponsors. 

Zwischensprint: Momentaufnahme am Markt 

Täglich gibt es also einen Nettoinventarwert je Anteil und minütlich stehen die Indikationen dafür zur Verfügung. Börsenpreise basieren jedoch auf den Erwartungen der Anleger, deswegen zählen kurzfristig im ETF-Handel Angebot und Nachfrage nach Anteilen. Weshalb die Preise eines ETF vom iNAV und insbesondere NAV abweichen können. 

Je höher die Schwankungsbreite, desto stärker sind diese Effekte. Bereits eine niedrige Volatilität von 15 Prozent bei DAX-Aktien gemessen am VDAX-New bedeutet eine durchschnittliche Spanne von 1 Prozent nach oben und nach unten täglich. So stark kann der ETF-Preis von seinem NAV dann auch abweichen. Diese Differenzen entstehen durch wechselnde Erwartungen der Anleger im Tagesverlauf. Nicht nur Unsicherheit, unerwartete Nachrichten oder Meinungsänderungen verstärken den Effekt, auch unterschiedliche Börsenöffnungszeiten haben zum Beispiel Auswirkungen. Wenn der Heimatmarkt der Aktien in einem ETF geschlossen ist, wie z. B. die Wall Street bei uns am Vormittag, kann erhöhtes Risikobewusstsein der Akteure die Preisunterschiede verstärken. Sie kaufen mit einem ETF anteilig z.B. die 500 US-amerikanischen Aktien im S&P 500 und Ihre Gegenpartei, die Verkäufer, kennen erst Stunden später mit dortiger Handelseröffnung den tatsächlichen Börsenpreis. Dadurch kann eine Art Risikoaufschlag entstehen. 

Mittel- bis langfristig gleichen sich die Marktpreise eines ETF im liquiden Handel dem „inneren Wert“ des verwalteten Vermögens, dem NAV, immer an. 

Hürdenlauf: Die Spanne zwischen Kauf- und Verkaufsangebot

Wenn Sie einen ETF kaufen oder verkaufen wollen, zählen für Ihre Order also die Geld/Brief-Quotes im Börsenhandel, die Kauf und Verkaufsangebote anderer Anleger und der Designated Sponsors. Der Unterschied zwischen diesen beiden Preisen, die Handelspanne, kann ebenfalls schwanken. Diese Spanne macht einen Teil der indirekten Handelskosten aus. Je reger der Handel und je mehr Marktteilnehmer aktiv sind, desto kleiner sind diese Spannen. Insbesondere der Xetra-Handel mit ETFs zeichnet sich durch kleine Spannen aus, die auch im Liquiditätsmaß abgebildet sind > Link zum Artikel.

Abweichungen von der Laufstrecke: Der Tracking-Error

Langfristig entsprechen also die Preise der ETF-Anteile dem Wert des ETF-Vermögens. Aber obwohl der ETF einen Index einfach nur abbildet, können Entwicklung des Index und ETF voneinander abweichen. 

Zum einen kann das ganz einfache Ursachen haben: Der abgebildete Index ist ein Preisindex (wie die meisten), d.h. der Index bildet nur die reine Wertentwicklung ab, keine Zuflüsse wie Dividenden oder Zinsen; und der ETF thesauriert die Einnahmen. 

Wenn aber Index und ETF vergleichbar sind und dennoch voneinander abweichen, spricht man vom Tracking-Error, englisch für Nachbildungsfehler. Dabei handelt es sich um eine ungewollte zwischen der Wertentwicklung eines ETFs von seinem Basisindex. 

Ein niedriger Tracking-Error gilt als Qualitätsmerkmal im Vergleich von ETFs verschiedener Anbieter. Insbesondere bei sehr langfristigen Anlagehorizonten können sich die Unterschiede deutlich in der Rendite niederschlagen. 

* Das gilt in dieser Form nur für voll replizierende ETFs. Bei teilreplizierenden ETFs werden nur die größten ETFs gehalten und bei Swap-basierten ETFs gibt es neben einem Portfolio mit beliebigen Wertpapieren Ausgleichsvereinbarungen mit den Swap-Partnern.

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