Stephan Kraus, verantwortlich für das ETF-Segment der Deutschen Börse
Erschienen am: 23.03.2020
Wie kam es dazu, dass die Deutsche Börse vor 20 Jahren mit einem ETF-Segment startete?
Mit der Einführung im April 2000 war die Deutsche Börse Vorreiter in Europa. Zu diesem Zeitpunkt wurden bereits erste ETFs in den USA gehandelt. Der Markt war noch recht klein und überschaubar, es war aber schon erkennbar, dass die Produkte bei Investoren auf Interesse stoßen. Also wollten wir auch Investoren in Europa einen Zugang ermöglichen. Dass ETFs aber eine weltweite Erfolgsgeschichte werden – damit hatten wir nicht gerechnet.
War es sehr schwierig, den Handel in Gang zu bringen?
Hier waren gleich mehrere Herausforderungen zu meistern. Da ETFs bis dato nahezu unbekannt in Europa waren, mussten wir zunächst sowohl Emittenten als auch Market Maker für die Auflage und Betreuung der Produkte gewinnen. Als ähnlich herausfordernd erwies sich die Kommunikation gegenüber Investoren, die zwar Aktien und aktive Fonds kannten, aber nicht das Konzept eines fortlaufend über die Börse handelbaren Indexfonds.
Was waren die wichtigsten Meilensteine im ETF-Markt in den vergangenen 20 Jahren?
Einer der größten Meilensteine war sicherlich, dass sich passive Investments in den vergangenen Jahren fest etabliert haben und inzwischen auch im Rahmen aktiver Anlagestrategien eingesetzt werden. Gerade die Möglichkeit, eine Vielzahl an Märkten, Branchen, Trends und Strategien kostengünstig über ein diversifiziertes Investment abzubilden, ist eine wichtige Errungenschaft. Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit sind etwa Smart Beta-ETFs oder die rasante Entwicklung bei ESG-Produkten, die es Investoren erlaubt, individuelle Nachhaltigkeitsstrategien zu verfolgen.
Welche Entwicklung des ETF-Marktes erwarten Sie in den nächsten zehn Jahren?
Wir gehen davon aus, dass das von ETFs verwaltete Vermögen weiterhin hohe Wachstumsraten verzeichnen wird. Auch dürfte die Produktanzahl von derzeit über 1.500 ETFs weiter wachsen, nach der zuletzt außergewöhnlich hohen Listing-Aktivität wahrscheinlich aber in langsameren Schritten. ETF-Anbieter werden dabei weiterhin ein gutes Gespür für Trends zeigen, mit denen Anlegerinteressen gezielt angesprochen werden können. So erfreuen sich vor allem Themen-ETFs einer großen Beliebtheit unter Privatanlegern. So wie der erste Medical Cannabis ETF, der Anfang des Jahres in Europa gestartet ist und bereits an den ersten Handelstagen täglich dreistellige Transaktionszahlen auf Xetra verzeichnete.
Welche Veränderungen/Verbesserungen würden Sie sich im ETF-Handel wünschen?
Wir hoffen, dass sich ETFs als Standard-Produkt in der privaten Altersvorsorge in Deutschland weiter etablieren. E-T-F, diese drei Buchstaben könnten auch für einfach, transparent und flexibel stehen. In Kombination mit den geringen Kosten sind dies die Kerneigenschaften, wenn es darum geht, Menschen von den Vorteilen der Altersvorsorge über den Kapitalmarkt zu überzeugen. Der Blick auf die steigende Zahl an ETF-Sparplänen stimmt uns hier positiv, aktuell liegt die Zahl bei über 1,2 Millionen in Deutschland – und ist damit gegenüber dem vergangenen Jahr erneut deutlich angestiegen.
Was tun Sie als Börse denn, um ETFs unter Privatanlegern noch bekannter zu machen?
Wir setzen da gleich an verschiedenen Stellen an: Zum einen haben wir ein umfangreiches Schulungs- und Nachrichtenangebot für Anleger. Dazu zählen unsere Präsenzseminare, digitale Lernangebote, Webinare, Newsletter oder Handbücher. Auf der anderen Seite unterstützen wir Anleger mit Initiativen im Handel. Ein aktuelles Beispiel: Wir erheben im Xetra-Handel keine Transaktionsentgelte mehr bei der Ausführung von ETF-Sparplan- und Robo-Advisory-Orders. Damit wollen wir die Attraktivität von ETFs als langfristiges Anlageprodukt weiter erhöhen und neue Anleger für den Kapitalmarkt gewinnen. Das Angebot gilt für alle Banken und Broker, die sich dafür bei uns registrieren.