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Marktstruktur

Die neue Marktstruktur nach MiFID II/MiFIR

Das Ziel von MiFID II/MiFIR, das 2007 mit der MiFID in Gang gesetzt wurde, besteht darin, den Wettbewerb durch die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen zu erhöhen, die Effizienz durch eine Defragmentierung der Märkte zu steigern und den Anlegerschutz durch die Erweiterung der allgemeinen Aufsichtsbefugnisse der zuständigen Behörden zu verbessern. Generell sind die Bestimmungen von MiFID II/MiFIR genauer, versuchen aber gleichzeitig, den signifikanten technischen Fortschritten der Finanzbranche seit der Umsetzung von MiFID I Rechnung zu tragen.

Handelsplätze

Der multilaterale Handel wurde über die geregelten Märkte und die multilateralen Handelssysteme (MTFs) hinaus um eine dritte Kategorie von Handelsplätzen ergänzt. Um den Handel mit Nichteigenkapitalinstrumenten zu regeln, der derzeit nicht an geregelten Märkten und über multilaterale Handelssysteme stattfindet, wurden organisierte Handelssysteme (Organised Trading Facilities, OTFs) eingeführt. Treibt eine Wertpapierfirma in organisierter und systematischer Weise häufig in erheblichem Umfang Handel für eigene Rechnung, aber außerhalb eines Handelsplatzes, gilt sie als systematischer Internalisierer (SI).

Geregelte Märkte und multilaterale Handelssysteme (MTFs)

Nach MiFID II/MiFIR ist ein geregelter Markt ein von einem Marktbetreiber betriebenes und/oder verwaltetes multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems zusammenführt oder das Zusammenführen fördert. Im Gegensatz zu organisierten Handelssystemen (Organised Trading Facilities, OTFs) müssen Geschäfte an geregelten Märkten auf nicht diskretionäre Weise ausgeführt werden.

Geregelte Märkte stellen eine Art von organisiertem Handelssystem dar, die multilateralen Handelssystemen (Multilateral Trading Facilities, MTFs) sehr ähnlich ist. Anders als bei einem MTF stellt der Betrieb eines geregelten Marktes jedoch weder eine Anlagetätigkeit noch eine Wertpapierdienstleistung gemäß MiFID II/MiFIR dar. Die Anforderungen an die Eignung der Geschäftsführung und den operativen Aufbau unterscheiden sich jedoch nicht von jenen, die von Wertpapierfirmen verlangt oder durch eine Anlagetätigkeit erzeugt werden.

Ein multilaterales Handelssystem (MTF) ist ein multilaterales System, das von einer Wertpapierfirma oder einem Marktbetreiber betrieben werden kann. Wie ein geregelter Markt zeichnet es sich dadurch aus, dass „es die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten zusammenführt“. Auch dürfen Geschäfte wie an einem geregelten Markt nicht nach dem Ermessen des Betreibers ausgeführt werden. Geregelte Märkte und MTFs sind nicht auf bestimmte Arten von Instrumenten beschränkt. Sie dürfen nicht für eigene Rechnung und gegen ihr eigenes Buch handeln. In all diesen Punkten unterscheiden sie sich von OTFs.

Organisierte Handelssysteme (OTFs)

Mit den organisierten Handelssystemen (OTFs) wurde eine vollkommen neue Kategorie von Handelsplätzen für Nichteigenkapitalinstrumente geschaffen, namentlich Anleihen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate und Derivate. Wie die bestehenden geregelten Märkte und MTFs für Aktien und Eigenkapitalinstrumente dürfen OTFs keine Orders gegen das eigene Buch ausführen (außer im Handel mit Staatsanleihen).

Anders als geregelte Märkte und MTFs ist OTF-Betreibern jedoch die Orderausführung auf diskretionärer Basis erlaubt, sofern dabei die Vorhandelstransparenzanforderungen eingehalten werden und die Ausführung nicht gegen die Interessen ihrer Kunden erfolgt. Das heißt, sie müssen sich an das Best Execution-System halten. OTFs steht es frei, Orders zu platzieren oder zurückzunehmen und zu entscheiden, in welchem Umfang Kundenorders innerhalb ihres Systems zusammengeführt werden.

Umgekehrt können OTFs Verhandlungen zwischen Kunden in Fällen erleichtern, in denen sie kompatible Handelsinteressen von Kunden annehmen. Ein OTF darf keine Verbindung zu einem systematischen Internalisierer in einer Weise herstellen, dass die Interaktion von Aufträgen in einem OTF und Aufträgen oder Offerten in einem systematischen Internalisierer ermöglicht wird. Ein OTF darf auch nicht mit einem anderen OTF verbunden werden.

Systematische Internalisierer (SIs)

Obwohl es sich nicht um einen Handelsplatz im klassischen Sinne des Wortes handelt, ist es aufgrund der Rolle eines systematischen Internalisierers (SI) und der Änderungen am System sinnvoll, den SI im Zusammenhang mit Handelsplätzen zu erörtern.

Das Konzept eines SI wurde ursprünglich bereits 2007 eingeführt. Im Rahmen von MiFID I war es jedoch auf den Aktienhandel beschränkt und es wurden keine Angaben darüber gemacht, wann der Handel mit bestimmten Instrumenten systemrelevant wird.

In MiFID II/MiFIR werden SIs definiert als „Wertpapierfirmen, die in organisierter und systematischer Weise häufig in erheblichem Umfang Handel für eigene Rechnung treiben, wenn sie Kundenaufträge außerhalb eines geregelten Marktes, eines MTF oder eines OTF ausführen“.

Ob „in erheblichem Umfang“ gehandelt wird, bemisst sich von nun an entweder nach dem Anteil, den der außerbörsliche (over-the-counter, OTC) Handel am Gesamthandelsvolumen der Wertpapierfirma in einem bestimmten Finanzinstrument hat, oder nach dem Umfang des OTC-Handels der Wertpapierfirma, bezogen auf das Gesamthandelsvolumen in der Europäischen Union in einem bestimmten Finanzinstrument.

Werden festgelegte Schwellenwerte erreicht oder überschritten, die den SI-Status begründen, gelten eine Reihe von Transparenz-, Best Execution- und Meldepflichten. Wertpapierfirmen müssen Kursofferten für liquide Aktien und Eigenkapitalinstrumente veröffentlichen, mit denen sie in ihrer Eigenschaft als SI handeln. Sie müssen die von ihren Kunden erhaltenen Orders betreffend Finanzinstrumente, für die sie als SIs agieren, zu den zum Zeitpunkt des Ordereingangs offerierten Kursen ausführen.

Unter Umständen gelten einige Ausnahmen in Bezug auf Handelsvolumen und/oder -kurse. SIs müssen ferner Quartalsberichte über die Ausführungsqualität erstellen. Unter anderem müssen diese Berichte Angaben zu Kurs, Datum und Ausführungsort, aber auch konkrete Informationen wie Ausfallzeiten und Anzahl der fehlgeschlagenen Transaktionen enthalten. Darüber hinaus müssen sie den zuständigen Behörden Referenzdaten über die außerbörslichen Derivate übermitteln, für die sie als SIs agieren.

SIs unterliegen zwar strengen regulatorischen Anforderungen, anders als ein Handelsplatz dürfen sie jedoch die Kauf- und Verkaufsinteressen Dritter nicht zusammenführen.

Handelspflicht

Im Fall von Derivaten, die ausreichend standardisiert sind, dass sie der Clearingpflicht gemäß EMIR unterliegen, entscheidet die ESMA, ob diese der Handelspflicht nach MiFIR unterliegen sollten. Danach müssen finanzielle Gegenparteien diese Instrumente über geregelte Märkte, MTFs, OTFs oder gleich geartete Drittlandhandelsplätze handeln. Aktien, die an einem geregelten Markt gehandelt werden bzw. zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen wurden, dürfen nicht über sogenannte Broker Crossing Networks gehandelt werden. Sofern die Geschäfte nicht entweder nichtsystematisch, ad-hoc, unregelmäßig und selten sind oder zwischen geeigneten oder professionellen Gegenparteien erfolgen und nicht zum Preisfestsetzungsprozess beitragen, müssen sie über einen geregelten Markt, ein MTF, einen SI oder Drittlandhandelsplatz ausgeführt werden.

Offener Zugang

Titel VI von MiFIR enthält Bestimmungen für einen diskriminierungsfreien Zugang zu zentralen Gegenparteien und Handelsplätzen insbesondere für transferierbare Wertpapiere und Geldmarktinstrumente. Die in Artikel 35 und 36 MiFIR enthaltenen Rechtsbestimmungen beziehen börsengehandelte Derivate ein und tragen der Tatsache Rechnung, dass eine erzwungene Vernetzung systemrelevanter Finanzmarktinfrastrukturen für Derivate potenziell eine Gefahr für die Integrität und Stabilität der Märkte darstellen könnte, insbesondere bei einer angespannten Marktlage. Ein obligatorischer Zugang kann also nur gewährt werden, wenn dadurch weder das reibungslose und geordnete Funktionieren der Märkte gefährdet würde, insbesondere aufgrund einer Fragmentierung der Liquidität, oder das Systemrisiko verstärkt würde noch eine Interoperabilitätsvereinbarung erforderlich wäre.

Allerdings sehen die Übergangsbestimmungen in Art. 54 MiFIR die Möglichkeit für die nationalen zuständigen Behörden (NCAs) vor, die Anwendung der Bestimmungen im Falle von Risiken, die sich aus der Anwendung der Zugangsrechte gemäß Art. 35 oder 36 MiFIR für das ordnungsgemäße Funktionieren der betreffenden CCPs oder des Handelsplatzes ergeben, bis zum 3. Juli 2019 zu verschieben. Inmitten der Ungewissheit über die zukünftigen Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU27 haben die 27 NCAs in der EU beschlossen, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, um Risiken für die Finanzstabilität in der EU zu vermeiden. Angesichts der vorherrschenden Unsicherheit rund um den Brexit und der beispiellosen Marktturbulenzen aufgrund der Covid-19-Pandemie beschlossen die EU-Ko-Gesetzgeber im Sommer 2020, diese Übergangsfrist bis zum 4. Juli 2021 zu verlängern.

Drittländer

Beantragen Firmen mit Sitz außerhalb der EU („Drittlandfirmen“) Zugang, um innerhalb der EU Wertpapierdienstleistungen zu erbringen oder Anlagetätigkeiten auszuüben, differenzieren MiFID II/MiFIR zwischen Kleinanlegern einerseits sowie professionellen Kunden und geeigneten Gegenparteien andererseits. Nach der Richtlinie kann der betroffene EU-Mitgliedstaat von einer Drittlandfirma verlangen, eine Zweigniederlassung in seinem Rechtsgebiet zu errichten und eine Zulassung einzuholen, wenn Dienstleistungen für Kleinanleger erbracht werden. Damit sind bestimmte Eigenkapital- und Überwachungsanforderungen verbunden. Die entsprechende Zweigniederlassung unterliegt in diesem Fall MiFID II/MiFIR. Darüber hinaus müssen bilaterale Vereinbarungen über die bestehenden Aufsichts- und Steuerregelungen zwischen dem Mitgliedstaat und dem Drittland bestehen.

Richten sich die Wertpapierdienstleistungen oder Anlagetätigkeiten an professionelle Kunden und geeignete Gegenparteien bzw. beziehen sie diese ein, muss keine Zweigniederlassung eröffnet werden, sofern die Drittlandfirma bei der ESMA registriert ist, in ihrem Heimatland einer Aufsicht unterliegt und die ESMA ein Gleichwertigkeitsabkommen mit der ihr entsprechenden Behörde dieses Landes unterzeichnet hat.

Die Firma muss ihren Kunden mitteilen, dass ihre Tätigkeiten auf eine bestimmte Kundengruppe eingeschränkt sind, und dass sie nicht der Aufsicht der EU unterliegt. Sie muss außerdem der Beilegung von Rechtsstreitigkeiten durch ein Gericht in einem EU-Mitgliedstaat zustimmen. Hat eine Drittlandfirma eine Zweigniederlassung in einem Mitgliedstaat errichtet, gilt für die anderen EU-Mitgliedstaaten ein EU-Pass-System, falls zwischen der ESMA und der entsprechenden Behörde des Drittlandes ein Gleichwertigkeitsabkommen besteht.

Transparenz-Verzichtserklärungen

Ein Ziel der Umsetzung von MiFID I im Jahr 2007 bestand in der Förderung des Wettbewerbs zwischen Handelsplätzen. Seither bestehen Vorhandelstransparenzanforderungen, aber auch Befreiungen. So bestehen vier Arten von Ausnahmen, die Firmen von der Veröffentlichung ihrer Kursofferten vor der Ausführung des Geschäfts befreien. Diese Ausnahmen gelten, wenn der Handel zu einem Referenzpreis stattfindet (Reference Price Waiver), der Preis zwischen den Parteien ausgehandelt wird (Negotiated Trade Waiver), die Order eine bestimmte Größe übersteigt (Large-in-Scale Waiver) oder sich die Order in der Orderverwaltung der Börse befindet (Order Management Facility Waiver).

Der Reference Price Waiver für MTFs und geregelte Märkte ermöglicht einen Abgleich der Orders am Mittelwert des besten Geld- und Briefkurses (wobei der beste Geldkurs den höchsten verbindlichen Geldkurs darstellt, der in ihren Orderbüchern verfügbar ist, und der beste Briefkurs den entsprechenden verbindlichen niedrigsten Briefkurs), wodurch letztlich die effektivsten Spreads gewährt werden.

Der Negotiated Trade Waiver kann bei Geschäften gewährt werden, die zur oder innerhalb der aktuellen volumengewichteten Spanne abgeschlossen werden, die im Orderbuch oder in den Kursofferten der Market Maker des geregelten Marktes oder MTFs, von dem das Handelssystem betrieben wird, widergespiegelt werden. Falls die Aktie nicht fortlaufend gehandelt wird, kann alternativ auch ein Prozentsatz eines geeigneten Referenzpreises zugrunde gelegt werden, wobei der Prozentsatz und der Referenzpreis im Vorfeld von dem Betreiber festgelegt werden. Der Waiver gilt ebenso für Geschäfte, die anderen Bedingungen als dem aktuellen Marktkurs des Eigenkapitalinstruments unterliegen.

Ein Order Management Facility Waiver kann in Verbindung mit Aufträgen gewährt werden, die in einer von einem geregelten Markt oder MTF unterhaltenen Orderverwaltung gehalten werden, sofern sie dem Markt nicht bekannt gegeben werden.

Der Large-in-Scale Waiver kann gewährt werden, wenn eine Order verglichen mit dem normalen Marktvolumen sehr groß ist. Dies ist der Fall, wenn sie größer als das im Anhang zu den technischen Regulierungs- und Durchführungsstandards von MiFID II/MiFIR angegebene Mindestvolumen ist oder diesem entspricht.

Während die Ausnahmeregelungen dazu führten, dass "Dark Pools" mit großen Handelsvolumina anonym abgewickelt wurden, argumentierten die Aufsichtsbehörden, dass die uneinheitliche und komplexe Umsetzung der Ausnahmeregelungen über die verschiedenen Handelsplätze hinweg nicht in der Lage war, die Transparenz zu erhöhen, und den Preisfindungsprozess belastet hat.

Doppelte Volumenbegrenzung

Nach MiFID II/MiFIR ist der Prozentsatz des Handels mit einem Finanzinstrument, der im Rahmen eines Negotiated Trade Waiver und Reference Price Waiver an einem Handelsplatz ausgeführt wird, auf 4 Prozent des Gesamthandelsvolumens mit diesem Finanzinstrument an allen Handelsplätzen in der EU in den vorangegangenen zwölf Monaten beschränkt.Zugleich darf der Gesamthandel mit einem Finanzinstrument in der EU im Rahmen dieser Waiver 8 Prozent des Gesamthandelsvolumens an allen Handelsplätzen in der EU in den vorangegangenen zwölf Monaten nicht übersteigen.

Die Einhaltung dieser Begrenzungen wird über einen rollierenden Zwölfmonatszeitraum gemessen. Die ESMA ist verpflichtet, diese Daten monatlich zu veröffentlichen und zu aktualisieren. Zuvor muss sie die Daten aus den Berichten der zuständigen Behörden, die den meldepflichtigen Firmen die Befreiung gewährten, zusammenführen.

Gruppe Deutsche Börse antwortet auf die Konsultation der ESMA zur Transparenzregelung für Aktien und aktienähnliche Instrumente

In der durchgeführten Konsultation hat die ESMA relevante Stakeholder um ihre Meinung zu vorgeschlagenen Änderungen des Transparenzregimes gebeten, die darauf abzielen, dieses zu vereinfachen und gleichzeitig die Transparenz des Marktes insgesamt zu erhöhen.

Gruppe Deutsche Börse antwortet auf die Konsultation der ESMA zur Transparenzregelung für Nicht-Eigenkapitalinstrumente

Die Antwort der Gruppe Deutsche Börse kann hier abgerufen werden. Sie zeigt auf, wie die Transparenz im Nicht-Eigenkapitalbereich durch gezielte Änderungen erhöht werden kann, die eine natürliche Migration der Volumina in das regulierte Umfeld ermöglichen.

Gruppe Deutsche Börse antwortet auf die Konsultation der ESMA zur Transparenzregelung für systemische Internalisierer

Die Antwort der Gruppe Deutsche Börse können Sie hier abrufen. Darin stimmen wir mit den Ergebnissen der ESMA überein, dass durch MiFID II keine Erhöhung der Transparenz für SIs ausgelöst wurde und dass ein ungleiches Wettbewerbsumfeld zwischen SIs und MTFs besteht.

Gruppe Deutsche Börse antwortet auf die Konsultation der ESMA zum OTF-Regime

Die ESMA hat den Prozess zur Überprüfung der Zweckmäßigkeit des OTF-Regimes und der aktuellen OTF-Landschaft gestartet. Die Konsultation kann hier eingesehen werden. Bitte lesen Sie hier mehr über die Antwort der Gruppe Deutsche Börse.